Wärmende Atmosphäre trotz dichtem Nebel
Nicht nur köstlicher Stollen und heißer Tee sorgten für eine wohltuende Weihnachtsfeier
Ende Dezember lud welt_raum zu einer gemeinsamen Weihnachtsfeier mit der Blauen Blume an deren Bauwägen auf einer Wiese im Norden Friedrichshafens. Gemeinsam mit einer Handvoll Geflüchteten hatten wir den ganzen Tag Holz gehackt, die Leuchtketten um die Wägen gewickelt und die Kugeln in die kleinen Tannen gehängt. Es sind um die siebzig Gäste erschienen und jetzt wärmen wir uns die Hände an den Punschtassen und verköstigen einen riesigen Stollen, von dem alle ein kleines Stück abbekommen.
Um das Lagerfeuer sitzen ein paar Familien, die Kinder flitzen um die leuchtenden Bäume. In den Wägen ist es warm, hier wird mal musiziert, mal lösen Geflüchtete gemeinsam mit ihren Mitbürgern Kreuzworträtsel, lernen sich über die Sprache etwas kennen, es wird viel gelacht. Genau in jenen Momenten, in welchen Geflüchtete, Bürger und Studenten einfach nur Gäste derselben Veranstaltung sind, wird die Begegnung auf Augenhöhe möglich.
Melanie Berger, Mitbegründerin welt_raum
Mit welt_raum zum Seekult
Lebhafte Erinnerungen an ein durchtanztes Wochenende
Der Winter rückt näher. Goldene Herbstblätter fallen von den Bäumen, es wird kälter. Doch die Erinnerungen an ein besonderes Wochenende wecken den Geist wieder auf.
Für einige welt_räumler fängt der Tag schon früh an. Eine Tasse Kaffee, kiloweise Petersilie, Blumenkohl. Diese und viele andere Dingen, die zu syrischen Leckereien verarbeitet und auf dem Festival verkauft werden wollen, liegen auf dem Tisch. In der Großküche der Gemeinschaftsunterkunft wäscht man Gemüse, würzt Soßen, redet über dies und jenes. Kinder hüpfen immer wieder in die Küche, wollen etwas probieren oder eine Runde Fangen spielen.
Aus dem kleinen Lautsprecher tönt Mohammeds Lieblingslied. Langsam sind alle erwacht, das Essen köchelt vor sich hin und der Berg zu waschender Petersilie schrumpft zunehmend. Es gibt Tabulé – Petersiliensalat. In Deutschland würde es so ein Gericht gar nicht geben, es dauert viel zu lange die ganze Petersilie zu waschen, zu lesen und dann zu zupfen, nur für einen Salat, stellt Matheo fest. In Syrien gehört das zum Alltag, das stundenlange Kochen. Essen ist ein wichtiger Teil des Lebens. Mit vielen Freunden sitzt man zusammen, oft bis in die Nacht, isst und unterhält sich.
Im großen Topf auf dem Herd köchelt Kebab Hindi – Hackfleischbällchen in scharfer Soße. Der Duft sollte sich mittlerweile im gesamten Haus verbreitet haben. Das Essen wird gekostet, ein Stück Fladenbrot abgerissen, zur kleinen Schaufel geformt und durch den Topf gezogen. Noch dampfend wandert es in die hungrigen Münder der Köche. Langsam bekommen alle Hunger, versammeln sich am großen Tisch. Es fliegen syrische, deutsche und englische Gesprächsfetzen durch den Raum. Alle loben Hassans Würzkunst, füllen die hungrigen Mägen und genießen die wohlverdiente Pause.
Dann packt man zusammen. Vier große Töpfe, drei Schüsseln, viele Schöpfkellen. Alles wird in das Auto verfrachtet, inklusive Köche und Beiköche. Langsam rollt der kleine Corsa hoch zum Kulturhaus Caserne; schließlich darf nichts umfallen. Dort angekommen wird der welt_raum-Essensstand aufgebaut. Die Stadtbewohner*innen trudeln ein, Menschen unterschiedlichster Nationalität. Afghanen, Deutsche, Kosovaren, Syrer. Schon bald sammelt sich ein hungriges Grüppchen Menschen um den Tisch. Das Festival kann beginnen.
Die bunte Mischung aus Studierenden, Geflüchteten, Häfler*innen und Künstler*innen lässt sich treiben. Mal zu fetzigem Jazz der Luftschiffkapelle, mal zu südamerikanischen Gitarrenklängen. Bei Tanz, Musik und Theater verschwimmen die scheinbaren Grenzen von Nationalität und Sprache und man feiert gemeinsam, verbunden durch geteilte Freude am Tanzen, Lachen und Leben. Um sich zu stärken isst man zwischendurch eine leckere Falafel am Stand der Blauen Blume. Hier herrscht Dauerbetrieb. Hinter der Theke stehen plötzlich Abdullah und Hassan, die spontan mithelfen möchten und erklären, wie man die Kichererbsentaler am besten formt und frittiert. Plötzlich geht alles ein bisschen schneller. Hätten wir das gewusst, hätten wir unsere Falafel-Maschine mitgebracht, sagt Abdullah schmunzelnd. Auch die Jungs und Mädels von der Blauen Blume sind froh, so tatkräftige Unterstützung zu bekommen. Später am Abend sitzt man zusammen am Lagerfeuer und wärmt die kalten Finger. Auf allen Gesichtern liegt ein etwas müdes, jedoch strahlendes Lächeln. Es war ein Fest der Begegnungen und des Austauschs. Und vor allem eines der geteilten Glücksmomente.
Louisa Deinhart, welt_raum
Das welt_raum Team dankt den Organisatoren des Seekult-Festivals, die diesen Tag durch viele Freikarten möglich gemacht haben und der Blauen Blume e.V. für die Kooperation auf dem Festival. Wir freuen uns übrigens über jede Kontaktaufnahme und laden Sie schon jetzt zu unseren nächsten Veranstaltungen ein. Details entnehmen Sie bitte dem welt_raum-Kalender im Footer.
Warum Begegnungen so schön sind
Friedrichshafener und Geflüchtete gemeinsam unter der Sonne am See
An einem der letzten sonnigen Tage in diesem Herbst findet ein kleines Fest am Ruderverein Friedrichshafen statt. Etwa sechzig Menschen tummeln sich auf der grünen Wiese und blinzeln in die Sonne. Einige spielen Frisbee, ein Dutzend unterhalten sich auf dem Steg, dicht am großen See. Immer wieder laufen junge Ruderer mit ihren Booten vorbei. Gerne packen Hassan und Abdallah mit an, die langen Kähne ans Wasser zu tragen. Es ist ein ganz normales Fest, die Menschen begegnen sich mal herzlicher, mal zurückhaltend, man lacht viel. Später sitzen alle um das Lagerfeuer und schmoren Stockbrot, wärmen sich die Hände und können fast nicht glauben, dass die Sonne jetzt schon untergeht.
Ende September organisierte die Initiative welt_raum in Kooperation mit dem Ruderverein Friedrichshafen auf dessen Strandgrundstück ein Fest. Eingeladen wurden Bürger, Studenten und Geflüchtete, für welche Friedrichshafen jetzt ein Zuhause sein will. Das Ziel von welt_raum ist es, Räume zu schaffen, um Begegnungen auf Augenhöhe zu ermöglichen. Und so sind die monatlichen Feste und Ausflüge eine Einladung dazu, seine vermeintlichen Rollen aufzugeben und sich im Gemeinsam zu verlieren. Dann sind die Geflüchteten einfach Bewohner derselben Stadt, Gäste derselben Veranstaltung: vielleicht kann man dann Grenzen verwischen und Gemeinsamkeiten leben. Und gleichwohl können wir auch voneinander lernen, davon ist welt_raum überzeugt.
Tatsächlich sollen die Veranstaltungen auch Möglichkeit bieten, einander in sogenannten Tandem Partnerschaften zu finden. Tabea zum Beispiel lernt jetzt mit Emad Arabisch und ganz nebenbei viel von der syrischen Küche, Louisa geht regelmäßig mit Amadou joggen: Aus dem ewigen Alltag im kalten Heim entfliehen, Menschen als Menschen begegnen.
Dass die Situation nicht einfach ist, dürfen wir nicht vergessen. Mittlerweile leben mehrere hundert Asylbewerber in Friedrichshafen. Woran es fehlt sind vor allem Begegnungen – auf Augenhöhe. Und dann ist es doch ergreifend, wie mutig und hoffnungsvoll miteinander umgegangen wird. Da kam eine Familie und fragte, wie die Veranstaltung denn nun abliefe. Organisatorin Liliana Josek hatte eigentlich ein kleines Programm zusammengestellt, aber das brauchen wir doch heute gar nicht. Gehen Sie doch einfach auf die Runde dort drüben zu!. Kurz darauf spielt die Tochter mit dem kleinen Syrer Badminton, und die Bürgerin lauscht gespannt Geschichten aus einer vermeintlich anderen Welt.
Melanie Berger, Mitbegründerin welt_raum
Das welt_raum Team dankt dem Ruderverein sehr herzlich für seine Unterstützung. Wir freuen uns übrigens über jede Kontaktaufnahme und laden Sie schon jetzt zu unseren nächsten Veranstaltungen ein. Details entnehmen Sie bitte dem welt_raum-Kalender im Footer.